16. Mai 2019
Interview mit Judith Herzog-Kuballa, Referentin für die Themen Nachhaltigkeit sowie Corporate Social Responsibility (CSR) im VDMA und ihrer Assistentin Sabine Brose
Mit der Nachhaltigkeitsinitiative Blue Competence zeigt der VDMA seit 2011 den Beitrag des Maschinen- und Anlagenbaus auf, um die globalen Herausforderungen unserer Zeit zu bewerkstelligen. Im Interview mit Judith Herzog-Kuballa, Referentin für die Themen Nachhaltigkeit sowie Corporate Social Responsibility (CSR) im VDMA und ihrer Assistentin Sabine Brose, die sich um alle Belange rund um die Initiative "Blue Competence" kümmert, sprechen wir über das nachhaltige Engagement der Unternehmen, über die Möglichkeiten der Digitalisierung, um nachhaltige Herausforderungen zu meistern, und über Anreize, die Nachhaltigkeitspreise wie der IKU auf Unternehmen ausüben.
1. Nach welchen Kriterien kann ein VDMA Mitgliedsunternehmen Partner der Initiative Blue Competence werden?
Brose: Im Mittelpunkt stehen die 12 Nachhaltigkeitsleitsätze des Maschinen- und Anlagenbaus. Sie adressieren alle drei Säulen der Nachhaltigkeit: die ökonomische, die ökologische und die gesellschaftliche Dimension und nehmen Bezug auf die 17 Nachhaltigkeitsziele (SDGs) der Agenda 2030. Unterteilt in strategische, operative, kulturelle und kommunikative Prinzipien können sie als Handlungsansatz dienen, um Nachhaltigkeit ins Tagesgeschäft zu implementieren. Die Partner müssen sich öffentlich zu diesen 12 Leitsätzen bekennen. Darüber hinaus werden sie aufgefordert Praxisbeispiele – sogenannte Erfolgsgeschichten – unter anderem aus den Bereichen Produktion, Arbeitsplatzgestaltung sowie CSR zur Verfügung zu stellen. Sie sollen andere zum Nachahmen einladen.
2. Nachhaltigkeit ist zurzeit ein Megatrend. Wie ernst ist es den Unternehmen mit einer nachhaltigen ressourcenschonenden Produktion wirklich?
Herzog-Kuballa: Ressourceneffiziente Produktion ist nicht neu und liegt bei Maschinenbauern schon lange im Trend, was schlichtweg auch damit zu tun hat, Kosten einzusparen. Der Anteil der Materialkosten an den Gesamtkosten im Maschinenbau beträgt 42 Prozent. Spannend wird hier die weitere Entwicklung im Zuge der Digitalisierung sein. Wenn Materialverbräuche endlich messbar und die Daten auswertbar und analysierbar sind – möglichst auch noch über Unternehmensgrenzen hinweg – könnte das zu deutlich mehr Ressourcenschonung führen. Zum Beispiel indem sich der Anteil an wiederverwertbaren Materialen weiter erhöht. Darüber hinaus trägt die Branche schon heute durch innovative und effiziente Technologien in nachgelagerten Wertschöpfungsstufen ganz erheblich zu einer energie- und ressourceneffizienten Produktion bei. Zahlreiche Erfolgsgeschichten sind auf der Plattform unserer Nachhaltigkeitsinitiative Blue Competence zu finden.
3. Industrieunternehmen in Deutschland nehmen mit ihren energie- und ressourceneffizienten Technologien, Anlagen und Produkten bereits heute eine internationale Spitzenstellung ein. Welche neuen Herausforderungen hat der Maschinen- und Anlagenbau durch die Agenda 2030?
Herzog-Kuballa: Die Industrie spielt bei der Umsetzung der 17 Ziele der Agenda 2030 eine wichtige Rolle. Deshalb müsste die Frage anders lauten – nämlich: welche Rahmenbedingungen die Politik schaffen sollte, damit der Maschinenbau und die Industrie noch stärker auf die 17 Ziele einzahlen. Hier wären uns drei Forderungen besonders wichtig: 1. Wirtschaft durch Investitionen stärken, damit Europa Leitmarkt für Klimaschutz oder Kreislaufwirtschaftslösungen bleibt. 2. Digitalisierung vorantreiben und stärker im Sinne der nachhaltigen Herausforderungen denken. 3. Gleiche Bedingungen für alle schaffen. Das bedeutet: damit Deutschlands innovative Wirtschaft wettbewerbsfähig bleiben und mit nachhaltigen Technologien weltweit zum ökologischen und sozialen Fortschritt beitragen kann, sind europäische, aber vor allem auch globale Rahmenbedingungen unverzichtbar – zum Beispiel die Einführung eines CO2-Preises.
35 Unternehmen hat der IKU seit 2009 geehrt. Alle haben Herausragendes für den Umwelt- und Klimaschutz geleistet. Die Liste der Umweltpreise ist lang. Was bringen die Auszeichnungen den Forschern und Unternehmern?
Brose: Zum einen bringen sie natürlich öffentliche Anerkennung und eine Bestätigung für ihre nachhaltigen Technologien und Lösungen sowie den Antrieb, diesen Weg weiter zu gehen. Die Auszeichnungen wirken sich positiv auf die Zusammenarbeit und Kommunikation mit wichtigen Stakeholdern wie Kunden, Lieferanten und den eigenen Mitarbeitern aus. Schließlich geht von so einem Preis auch eine Strahlkraft auf das Image als Arbeitgeber aus. Nicht zuletzt üben gewonnene Preise eine Leuchtturm- und zugleich eine Sogfunktion für Nachahmer aus, was der Nachhaltigkeit insgesamt zugutekommt.
5. „Aufgrund des ausgesprochen technologischen Bezugs dürfte der IKU für viele Firmen unserer Branche interessant sein“, sagt Naemi Denz, Leiterin VDMA-Abteilung Technik und Umwelt und Mitglied der Hauptgeschäftsführung im VDMA. Haben denn schon einige ihrer Mitgliedsunternehmen den IKU gewonnen?
Brose: Ja, es gibt es bereits einige VDMA-Mitgliedsfirmen, die den IKU-Preis gewonnen haben. 2018 haben gleich zwei Mitglieder gewonnen. Das Unternehmen Mayer & Cie. GmbH & Co. KG aus Albstadt in der Kategorie „Umweltfreundliche Technologien“ sowie die Firma Viessmann Kühlsysteme aus Hof/Saale in der Kategorie „Prozessinnovationen für den Klimaschutz“. Auch in den Jahren davor gab es bereits Sieger. Im Jahr 2013 die Gebr. Heller Maschinenfabrik GmbH, Nürtingen ebenfalls in der Kategorie „Prozessinnovationen für den Klimaschutz“. Ein weiterer Gewinner aus 2011 ist die Freudenberg Sealing Technologies, Weinheim, und im Jahr 2009 die Siemens AG und Bültmann GmbH zusammen mit der Firma Zenergy Power GmbH.
6. Trägt Ihrer Meinung nach die Digitalisierung zur Lösung ökologischer, sozialer und ethischer Fragen bei?
Herzog-Kuballa: Wie gesagt, birgt die Digitalisierung große Potenziale beim Thema Ressourcenschonung. Damit nicht genug, bildet sie den Schlüssel zu einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft. Schließlich kann sie auch dazu beitragen, die immer stärker nachgefragte Transparenz entlang von Wertschöpfungsnetzwerken und Lieferketten herzustellen. Aktuell ist hier die Blockchain-Technologie im Gespräch. Jedoch fallen hier Unmengen von Daten an, die wiederum mehr Energie benötigen und so zu unerwünschten Rebound-Effekten führen können.
7. Wie stehen Sie zur Bewegung Fridays for Future?
Brose: Unabhängig von meinem persönlichen Bezug zu Schweden, berührt mich diese Bewegung sehr. Was diese junge Schülerin aus tiefem Herzen mit Ihrer Zivilcourage und ihrem behördlichen Ungehorsam in Bewegung gesetzt hat, ist für mich eine der wichtigsten Ereignisse dieser Zeit. Es zeigt, dass gerade in der Weltpolitik das globale, klimabewusste Handeln noch sehr verbesserungswürdig ist, und dies trotz aller Vorsätze, Versprechen und wissenschaftlichen Erkenntnissen. Dank Greta Thunberg und dieser jungen Generation, die für einen lebenswerten Planeten kämpft, ist klar geworden, dass weitere Anstrengungen und noch mehr Innovationen dringend erforderlich sind.
Herzog-Kuballa: Dem kann ich nur wenig hinzufügen: Die Bewegung trägt in jedem Fall zu einer präsenteren öffentlichen Aufmerksamkeit bei. Die Generation hält uns zurecht den Spiegel vor, dass in Sachen Klimaschutz mehr passieren muss und zwar schleunigst. Ein Schritt in die richtige Richtung wäre für uns (VDMA) ein europäischer – besser noch – ein globaler CO2-Preis. Aber solange sich hier nichts tut, halte ich es für legitim, dass die Schüler freitags weiterhin den Schulunterricht eintauschen, um sich für eine zukunftsgerichtete Klimaschutzpolitik einzusetzen. Schließlich geht es um die Zukunft unseres Planeten oder um es mit Blue Competence zu sagen, um „… a better world“.
Wir bedanken für das Interview und wünschen der VDMA Nachhaltigkeitsinitiative Blue Competence weiterhin viel Erfolg!
Das Interview führte Ulla Herbst.